Presse: Die Windkraft wird zum Politikum

Debatte über Immobilienwertverluste wird in Altendiez bei Veranstaltung emotional geführt

ALTENDIEZ. -west- Entschädigung bei Wertverlusten durch Windräder? Rechtsanwalt Hans-Jörg Metz machte Immobilieneigentümern bei einem Vortrag wenig Hoffnung auf Schadenersatz. In Altendiez wird derweil eine Wählergruppe für die nächste Kommunalwahl diskutiert, und Hambach unternimmt konkrete Schritte gegen unerforschte Schallimmissionen.

Grundsatzdebatten, Emotionen, runderneuerte Politikerschelte und happige Forderungen – mit wenig hilfreichen Begleiterscheinungen widmete sich eine Infoveranstaltung der Bürgerinitiative gegen Windkraft kürzlich einem wichtigen Thema: Haben Eigentümer Anspruch auf Ersatzleistungen, wenn Windräder in der Umgebung den Wert ihrer Häuser (nach Angaben von Immobilienverbänden) um 20 bis 30 % reduzieren?

Für Hans-Jörg Metz, in Diez Vorsitzender des Verbandes der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, eine klare Angelegenheit: „Die Frage ist eindeutig mit dem Vorrang des Primärrechtsschutzes zu beantworten. Rechtmäßiges Handeln, sei es vom Staat oder von Dritten, führt – abgesehen von Ausnahmefällen – regelmäßig nicht zu Schadenersatz- oder Entschädigungszahlungen.“ Auch, wenn die Rechtsprechung inzwischen anerkennt, dass es zu Wertverlusten kommen kann, muss der Anspruchsteller für den Fall einer Auseinandersetzung den Wertverlust nach Grund und Höhe gegebenenfalls durch Gutachten nachweisen.“ Und: er muss es vorher, also vor der Errichtung der Anlagen, tun. Als potenzielle Anspruchsgegner benennt der Anwalt den Staat sowie Anlagenbetreiber und Grundstückseigentümer.

Das Planungsrecht versuche dem Spannungsfeld zwischen den öffentlichen und privaten Interessen gerecht zu werden, wies Metz auf die Abwägung aller Umstände hin, die auf ein Grundstück und dessen Nutzung einwirken können. Dazu gehört nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes ausdrücklich nicht der Grundstückswert und dessen Erhalt an sich (Stichwort Straßenbau). Der Schutzzweck berühre nicht die Minderungen des Marktwertes eines Grundstücks, die durch die behördliche Zulassung eines Vorhabens in der Nachbarschaft eintrete. „Im Ergebnis bedeutet dies, dass nicht unmittelbar das Eigentumsrecht mit Blick auf die Werterhaltung in die Abwägung einzustellen ist, sondern nur die Nutzung als solche und zwar gleichberechtigt mit anderen Aspekten“, skizzierte der Diezer Ratsherr die gültige Rechtsposition.

Im Bereich der Windenergieanlagen komme dem Rücksichtnahmegebot besondere Bedeutung zu. Bauliche und sonstige Anlagen seien im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprächen. Sie seien auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen könnten, die für die Umgebung unzumutbar sind. Aber: In diesem Zusammenhang greift der Grundsatz des Vorranges des Primärrechtsschutzes. Metz: „Die Anlagengenehmigung ist im Einzelfall zu prüfen als drittbelastender Verwaltungsakt. Diejenigen, die hierdurch belastet werden, müssen, und zwar jeder individuell, Rechtsschutz gegen die Genehmigung suchen (Widerspruchsverfahren, Klageverfahren, einstweiliger Rechtsschutz).

Sollte die Rechtswidrigkeit der Genehmigung festgestellt und die Genehmigung aufgehoben werden, ergibt sich nach Meinung des Rechtsanwalts kein Ersatzanspruch, da der Schaden ausbleibt (eine Genehmigung ja nicht erteilt wurde und die Anlage nicht errichtet werden kann). „Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass sich Schadenersatz oder Entschädigungsansprüche zulasten des Staates aus der Genehmigung von Windenergieanlagen bei Beachtung des Vorranges des Primärrechtsschutzes nicht herleiten lassen“, stellte Metz fest.

Zu Ansprüchen gegen Dritte führte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus: „Aufgrund privatrechtlicher Ansprüche zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück kann nicht die Einstellung des Betriebs einer Anlage verlangt werden, deren Genehmigung unanfechtbar ist; es können nur Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen.“

Politikum Windkraft: Neue Bürgerliste?

REGION. -west- Emotionale Angriffe auf Ortsbürgermeister Thomas Kessler und anwesende Ratsmitglieder, die von einer Mehrheit getragene Ablehnung der Windräder in Altendiezer Umgebung würde im Gemeinderat ignoriert, veranlasste Klaus-Hermann Wilbert zum Hinweis auf eine Bürgerliste zur Kommunalwahl 2019.

„Wir können keinen Einfluss auf die Gemeindepolitik ausüben“, deutete das Mitglied der Bürgerinitiative Überlegungen an, mit einer Wählergruppe den Einwohnern eine Stimme zu geben, die sich bei einer Unterschriftenaktion gegen Windräder ausgesprochen hätten.

Weitaus konkreter wehrt sich Hambachs Ortsbürgermeister Peter Sehr gegen weitere Windräder auf Limburger Gebiet (u.a. am Tierheim). Durch den Betrieb der über 200 Meter hohen Anlagen habe sich herausgestellt, dass die 60 Meter langen Rotorblätter Schallwellen in einem Frequenzbereich erzeugten, der zwar nicht hörbar, aber wahrnehmbar sei. Diese bislang unbekannten Schallimmissionen würden nicht gemessen und somit im Genehmigungsprozedere auch nicht berücksichtigt. „Die Messmethoden sind nicht mehr auf dem Stand der Technik“, wies der Ortsbürgermeister auf erste Beanstandungen durch das Verwaltungsgericht in Düsseldorf hin.

Einem Institut in Darmstadt hat Sehr die vorgelegten Gutachten zur Prüfung überlassen und das Ergebnis inklusive Widerspruch an den Regierungspräsidenten in Gießen geschickt. Demnach waren die neu ermittelten Belastungswerte deutlich höher als in den Expertisen angegeben.

Quelle: Lokalanzeiger

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