NI: Aus weniger mehr machen – Ein Zwischenruf für das „rechte Maß“

Nicht die Wirtschaft darf der Natur Grenzen setzen, sondern die Natur bestimmt die Grenzen, in denen wir wirtschaften dürfen. Alle Lebensbereiche einschließlich der mit- und zwischenmenschlichen werden ökonomisiert und damit entmenschlicht. Das gegenwärtige System macht überflüssige Produkte schmackhaft, „von denen wir bisher gar nicht wussten, dass wir sie überhaupt haben wollten“ (Harald Welzer). Produkte werden von ihrem Entstehungszusammenhang völlig entkoppelt, damit die Menschen „gedanken-los“ konsumieren können.

Kurzfristige Gewinninteressen und ökologisches, soziales und faires Wirtschaften sind unvereinbar. „Ökologisches Wachstum“ ist ein Märchen der „neuzeitlich-grünen“ und urbanen Wohlstandsdämmerung. Wohlstand ohne Wachstum ist hingegen möglich und zwar als Wohlstand durch Leben, Einfachheit und Vielfalt. Wir brauchen wieder „das rechte Maß“, denn Wachstum ohne Grenzen ist nicht Grün.

Energiewende muss werteorientiert sein

Auch eine Energiewende muss werteorientiert und ganzheitlich sein. Sie muss zu allererst das Einsparen und das Speichern von Energie in den Vordergrund stellen. Wir dürfen nicht versuchen, unseren bisherigen Lebensstil mit anderen Mitteln fortzusetzen. Die bisher aufgestellten Programme und Ziele zum Einsparen sind völlig unzureichend. Effizienzsteigerungen können sogar zum Gegenteil dessen führen, was beabsichtigt ist.

Ungehemmtes Wachstum, auch mit „erneuerbaren Energien“, ist nicht nachhaltig und führt zum Kollaps unseres Planeten. Sollte uns eine Energiewende in diesem Sinne nicht gelingen, verspielen wir eine einzigartige Chance. Der ideologischen Gleichung, nur Klimaschutz sei Naturschutz, muss entschieden entgegen getreten werden, da sie den komplexen Ökosystemen nicht gerecht wird. Wer so argumentiert, versteht nichts vom Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und Biologischer Vielfalt. Denn: Eine naturzerstörende Industrie kann niemals unsere Lebensgrundlagen schützen.

Wir brauchen ein Umdenken in unserem Konsumverhalten: in der Landwirtschaft und der Ernährung, im Flächenverbrauch, im Verkehr, in der Waldwirtschaft. Wir müssen unseren Lebensstil überdenken, der verantwortlich ist für den Verlust an Lebensräumen und damit auch für einen großen Teil des Artensterbens. Wir brauchen endlich Politiker mit aufrechtem Gang und keine Ideologen. Wir brauchen einen Kulturwechsel in der Politik und freie, mutige und aufrechte Volksvertreter, die Politik nicht mit dem Festkleben an den bequem gewordenen Stühlen der Macht verwechseln.

Ästhetik des Verzichtes

Es tut gut, nicht alles haben zu müssen, weil es frei macht. Leben heißt für mich, frei zu sein, auf etwas verzichten zu können, das los zu lassen, was mich im Griff haben soll. Immer mehr haben zu wollen, ist nicht erstrebenswert. Verzicht ist gut, geht gut und tut gut. Verzicht kann das Leben einfacher, klarer und lustvoller machen. So verstanden brauchen wir im Sinne von Harald Welzer eine „Ästhetik des Verzichtes“, eine „gesellschaftliche Vision“ und nicht nur eine technische.

Immer, wenn ich in den Bergen unterwegs bin, spüre ich oben auf dem Gipfel, wie fragil, wie verletzbar und wie unendlich schön unsere Erde ist. Und hier unten lauben wir, dass sich die Probleme der Erde mit weiterem Wachstum, Elektroautos, Abwrack/Umtauschprämien und Windindustrie lösen lassen. Als ob wir durch die ständige Anreicherung von Besitz glücklicher würden. Diese Sicht halte ich für grundlegend falsch.

Glück als Staatsziel

Ich möchte den Blick auch in eine andere Richtung lenken: auf die spirituelle Dimension, auf das, was uns als Menschen wirklich trägt. Das Königreich Buthan hat „Glück“ zu einem Staatsziel erklärt. Glück, verstanden als Konzentration auf das Wesentliche, Veränderung des ausufernden Lebensstiles und Befreiung vom Überfluss.

Die Regierung von Buthan hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensfreude zu erhalten. Hierzu gehören neben dem Lebensstandard auch die Gesundheit im ganzheitlichen Sinne, das Wissen um die Legenden und Mythen, Kultur, Bildung sowie die Achtsamkeit gegenüber Natur und Schöpfung. In Buthan müssen 60% der Landesfläche mit Wald bedeckt sein. Dieses Land ist auf dem Weg, das erste Bio-Land der Welt zu werden. Dies gelingt, indem hier die spirituellen und lebensnotwendigen materiellen Welten zusammenfließen. In Buthan regiert die Einfachheit.

Vom Naturnutzer zum Naturschützer

Wir brauchen heute ein nachhaltiges, ökologisch ausgerichtetes Wirtschaften, das Natur und Schöpfung als einzigartigen Wert im Auge hat. So verstanden sollten wir uns vom Naturnutzer zum Naturschützer entwickeln. Das „rechte Maß“, entsprungen aus einer inneren Kraft und der eigenen Mitte, bewahrt uns in einer nur auf Gewinn ausgerichteten Globalisierung vor einem geistigen, moralischen und räumlichen Nomadentum sowie einer entwurzelten Mobilität.

Nur wenn wir der Natur und Schöpfung ganz konkret in unserem unmittelbaren Lebenskreis mehr Beachtung und Respekt schenken, dürfen wir uns als zivilisiert bezeichnen. Ich persönlich versuche meinen Beitrag zu leisten z.B. durch einen niedrigen Energieverbrauch, eine biologische und vegetarische Ernährungsweise orientiert an den Jahreszeiten und aus dem eigenen Gemüsegarten und Gewächshaus. Obstbäume, Einmachen, eigene Imkerei, langlebige Massivholzmöbel und eine Pelletsheizung mit Solarthermie tun ein Übriges.

Wachstum hat Grenzen. Wir wollen immer mehr und bekommen immer weniger. Dabei verlieren wir uns selbst. Viele merken nicht mehr, wie sehr sie im Namen der Freiheit entwurzelt, entmündigt und von sich selbst entfremdet werden. Unter Werten werden nur noch Wertpapiere verstanden. Wir haben längst das „rechte Maß“ verloren. Benediktinische Schulen in aller Welt haben sich zum Ziel gesetzt, die Globalisierung zu humanisieren und die Humanität zu globalisieren. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttoglücksprodukt.

Wäre das nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr 2019?

Kommentare sind geschlossen.